Das Bild zeigt ein Straßenschild mit der Aufschrift Danke und zwei Schulkindern.

Die Selbstverständlichkeit der Führungskraft: Erwarte keinen Dank für Deine Arbeit.

Im Allgemeinen erhält man als Mensch in Führungspositionen keine oder nur sehr wenig konstruktive und objektive Rückmeldung zur eigenen Tätigkeit. Das hat mit einem gewissen Machtgefälle zutun, dass es Mitarbeitenden zwangsläufig erschwert, derartige Rückmeldungen an die Führungskraft zu geben. Nur sehr wenige Mitarbeitende „erlauben“ sich eine Beurteilung der*s eigenen Chefs*in. Auch wenn moderne Führungskultur bzw. die betriebliche Praxis sich in diesem Punkt stetig weiterentwickelt, ist es noch immer sehr unüblich.

Jeder Mensch braucht aber eine Rückmeldung zum eigenen Tun. Lob. Anerkennung. Wir leben nicht im luftleeren Raum und können nicht im Trüben navigieren. Das ist eine besondere Anforderung, ist es doch im sozialen Miteinander und evolutionär völlig unabdingbar, den eigenen Standpunkt, die Strategien und das Verhalten im Miteinander zu verorten.

Das treibt komische Blüten.

Eine kleine Geschichte dazu: Sybille ist Qualitätsmanagementbeauftragte und bespricht mit ihrer Führungskraft die neusten Änderungen im Qualitätsmanagement-Handbuch. Plötzlich beginnt der überdimensionale Kaffeepot ihrer Chefin zu fallen. Der Pot hat schon fast eine Eimerform und hilft, immer den maximalen Anteil des Kaffees abzuschöpfen. Um ihn voll zu machen, muss Bernadette – die Führungskraft von Sybille – bestimmt fünf- oder sechsmal auf die Kaffeetaste des Automaten drücken. Sie macht den Eimer nicht immer voll, das würde zu lange dauern. Aber es kommt vor. Naja, Bernadette bemerkt den fallenden Pot. Nur ihre Augen bewegen sich um wenige Millimeter nach rechts und nach unten. Sybille sieht die Augenbewegungen. Die rechte Hand von Bernadette schnellt wie die Zunge eines Chamäleons unter den Pot und stemmt ihn in letzter Sekunde wieder in die vertikale Position. Nur ein kleiner Schwapp fliegt über den Rand der Tasse und landet auf dem Tisch. Bernadette lächelt selbstgefällig und wischt mit der Handfläche den nassen Fleck weg. Sichtlich stolz auf Ihre blitzschnelle Reaktion sagt sie: „Ich hatte schon immer ganz besondere Reflexe.“ Bitte? Was? Sybille lässt das im Gedanken nachwirken und fragt sich, wie und was sie darauf antworten soll. Ja, du könntest eine Büroklammer auffangen, wenn Sie droht auf dem Boden zu landen. Boah! Unglaubliche Leistung. Du bist meine fachlich Vorgesetzte. Ich will mit dir die neusten Änderungen der DIN ISO 9001 besprechen. Sybille sagt nichts und kommt zurück zu Thema.

Ich habe es bei einigen, sonst sehr erfolgreichen und charakterlich angenehmen Führungspersönlichkeiten erlebt, dass die mangelnde Bestätigung von außen zu einer übersteigerten Selbstdarstellung führt. Das Gegenüber kann das als unangenehm wahrnehmen. Die eigenen Leistungen und das besondere Engagement werden dabei im Gespräch immer wieder in den Vordergrund gerückt. Ich erkläre mir diese überspitzte Selbstdarstellung damit, dass Menschen in Leitungstätigkeiten wenig oder gar keine Rückmeldung zu Ihrem Tun erhalten und förmlich danach gieren, bestätigt zu werden. Das ist nur menschlich. Jeder braucht für das eigene Glück die Bestätigung von außen. In asymmetrischen Beziehungen (Vorgesetzter/Mitarbeiter) wird das schnell eigenartig, da der Vorgesetzte von seinem Mitarbeitenden Bestätigung erwartet. Normalerweise ist das aber andersherum. Der Mitarbeitende erwartet für seine Arbeit eine Rückmeldung und Bestätigung. Leider habe ich diese Momente auch bei mir aufblitzen sehen und mich oft im Nachhinein geärgert und gefragt, was war denn da mit mir los.

Frage Dich. Was habe ich heute gut gemacht?

Ein Weg diesem Umstand zu begegnen ist, sich die persönlichen Erfolge gezielt vor Augen zu führen und sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Eine Möglichkeit ist, die abgeschlossenen Projekte, Aufgaben oder erfolgreichen Gespräche niederzuschreiben und sich bewusst zu machen, was man erreicht hat oder was vielleicht auch nicht so gut gelaufen ist. Das ersetzt nicht im Ansatz eine menschliche Rückmeldung. Daher ist es auch möglich, aus dem Verhalten des Umfeldes entsprechende Rückmeldungen zu erhalten. Respekt ist beispielsweise ein starkes Zeichen, dass die geleistete Arbeit bzw. der individuelle Arbeitsstil in der Organisation ankommt und auf seine Weise richtig ist.


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